Die neuesten Entwicklungen zur Wegzugsbesteuerung in Deutschland gemäß § 6 AStG für das Jahr 2024 wurden veröffentlicht am 07/04/2024 von Horst Wickinghoff. Es gab signifikante Veränderungen aufgrund von Gesetzesanpassungen und einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH). Hier erfahren Sie, welche Auswirkungen dies für Steuerzahler hat.
In den vergangenen Jahren ist die Wegzugsbesteuerung in Deutschland gemäß § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) zu einem viel diskutierten Thema geworden. Durch Gesetzesänderungen und ein wegweisendes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) wurden die Regelungen für Personen, die Deutschland verlassen, stark verschärft. Doch was bedeutet das konkret für Betroffene? In diesem Blogbeitrag wird ausführlich über die neuesten Entwicklungen berichtet und analysiert, wie sich diese Änderungen auf die steuerliche Situation von Auswandernden ausgewirkt haben.
Was genau ist unter Wegzugsbesteuerung zu verstehen?
In den letzten Jahren hat die Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) in Deutschland erhebliche Veränderungen durchlaufen. Ziel dieser Maßnahme ist es, eine Besteuerung von Wertsteigerungen bei Anteilen an Kapitalgesellschaften sicherzustellen, wenn eine Person Deutschland verlässt. Der Gesetzgeber hat diese Regelungen kontinuierlich verfeinert und verschärft, insbesondere im Hinblick auf Personen, die nach EU-/EWR-Staaten auswandern oder dies planen. Die jüngsten Gesetzesänderungen konzentrieren sich dabei auf die Einführung einer “faktischen Ausschüttungssperre” sowie ein bedeutendes BFH-Urteil, das zusätzliche Klarheit schafft.
Die neuesten Gesetzesänderungen und ihre Auswirkungen
Ab dem 1. Januar 2022 trat eine überarbeitete Version des § 6 AStG in Kraft, die eine erweiterte Anwendung der Wegzugsbesteuerung vorsieht. Diese Änderungen hatten zum Ziel, Steuerumgehungspraktiken zu unterbinden und sicherzustellen, dass Deutschland seinen gerechten Anteil an Steuern auf Wertsteigerungen erhält, die während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht im Land entstanden sind.
Die bedeutendste Änderung war die Abschaffung der dauerhaften zinslosen Stundung der Wegzugssteuer für Umzüge innerhalb der EU und des EWR, die bis zum 31. Dezember 2021 vergleichsweise großzügig gehandhabt wurde. Stattdessen wurden zeitlich begrenzte Zahlungserleichterungen eingeführt, die es den Steuerpflichtigen ermöglichen, die Steuerschuld in bis zu sieben Jahresraten zu begleichen. Diese Regelung brachte für viele Steuerpflichtige eine beträchtliche finanzielle Belastung mit sich, besonders für jene, die keine sofortige Liquidität aus dem Verkauf ihrer Anteile erwarteten.
Rückwirkende Verschärfungen und die sogenannte „faktische Ausschüttungssperre“
Kurz vor Beginn des Jahres 2024 führte der Gesetzgeber weitere Verschärfungen ein, welche sogar rückwirkend für Wegzüge bis zum 31. Dezember 2021 gelten. Diese Änderungen erweitern die Befugnisse des Finanzamts zur Aufhebung der Stundung der Wegzugssteuer insbesondere dann, wenn Gewinnausschüttungen oder Einlagenrückgewähr den Wert von 25 % der Unternehmensanteile überschreiten. Diese neue Regel schafft eine „faktische Ausschüttungssperre“, welche viele Steuerpflichtige in eine schwierige finanzielle Situation bringen kann, da sie unerwartete Steuerausgaben verursachen kann.
Im Fall “Wächtler” gibt es einen bedeutenden Fortschritt: Eine neue Entwicklung bei der Wegzugsbesteuerung
Eine wegweisende Entscheidung wurde am 6. September 2023 vom I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Fall “Wächtler” (I R 35/20) getroffen, die potenziell weitreichende Auswirkungen auf Steuerzahler hat, die in die Schweiz umziehen. Dieses Urteil, das auf einem vorherigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) basiert, wirft ein neues Licht auf die Anwendung der deutschen Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG und deren Vereinbarkeit mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz.
Hauptpunkte des BFH-Urteils
Der BFH hat festgestellt, dass bei einem Umzug in die Schweiz unter Berücksichtigung des bestehenden Freizügigkeitsabkommens zwischen der EU und der Schweiz eine zinslose Stundung der deutschen Wegzugssteuer bis zur tatsächlichen Veräußerung erforderlich ist. Diese Entscheidung betrifft insbesondere alle Umzüge bis zum 31. Dezember 2021, wobei eine Sicherheitsleistung vom Steuerpflichtigen verlangt werden kann.
Der Ausgangspunkt und die europäische DimensionDie rechtliche Angelegenheit begann, als Herr Wächtler im Jahr 2011 in die Schweiz umgezogen ist und vom deutschen Finanzamt zur Wegzugssteuer gemäß § 6 AStG herangezogen wurde. Nach einer langwierigen rechtlichen Auseinandersetzung, einschließlich einer Vorabentscheidung des EuGH, hat der BFH nun in einer wegweisenden Urteilssprechung
Trotz der spezifischen Anwendung auf Wegzüge in die Schweiz bis Ende 2021, deutet das Urteil darauf hin, dass es möglicherweise breitere Auswirkungen hat und auch für Wegzüge in andere EU-/EWR-Staaten von Bedeutung sein könnte.
Einfluss auf zukünftige Gesetzgebung und Rechtsprechung
Das “Wächtler“-Urteil könnte als Signal für die künftige Gesetzgebung und Rechtsprechung im Bereich der Wegzugsbesteuerung dienen. Es markiert einen bedeutsamen Schritt hin zu einer gerechteren Behandlung von Steuerzahlern, die unter den Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens fallen. Die Finanzbehörden und der Gesetzgeber sind nun gefordert, die bestehenden Vorschriften zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um eine Benachteiligung von Steuerzahlern zu vermeiden sowie den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) gerecht zu werden.
Für Personen, die von der deutschen Wegzugsbesteuerung betroffen sind, ist es wichtiger denn je, sich mit den aktuellen Gesetzen und möglichen Steuervergünstigungen vertraut zu machen. Das BFH-Urteil bietet einen Ansatzpunkt, um gegen übermäßige Steuerforderungen vorzugehen und eine gerechtere Behandlung einzufordern.
Praktische Schritte für Betroffene
Für Steuerzahlerinnen und -zahler, die von der Wegzugsbesteuerung betroffen sind, ist es ratsam aktiv zu werden. Neben dem Antrag auf dauerhafte und zinslose Stundung der Wegzugsteuer sollten Betroffene auch in Betracht ziehen eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen sowie gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, um ihre Position zu stärken. Es sollte keine Scheu bestehen Einspruch gegen Steuerbescheide einzulegen, die auf den jüngsten gesetzlichen Änderungen beruhen.
Es wird empfohlen, alle verfügbaren Dokumentationen und Nachweise in Bezug auf den Umzug und die Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sorgfältig zu sammeln und aufzubewahren.
Zusammenfassung
Die Entwicklungen im Zusammenhang mit der deutschen Wegzugsbesteuerung verdeutlichen, wie dynamisch und teilweise herausfordernd die Steuerlandschaft für international mobile Personen sein kann. Während Gesetzesänderungen und das Urteil des BFH neue Komplexitäten und Unsicherheiten mit sich bringen, bieten sie auch Möglichkeiten für eine gerechtere steuerliche Behandlung. Es bleibt abzuwarten, wie Finanzverwaltung und Gerichte zukünftig mit diesen Fragen umgehen werden. Sicher ist jedoch: Das Thema bleibt ein wichtiges Gebiet sowohl für Steuerpflichtige als auch Berater.
Steuerpflichtige, die von der Wegzugsbesteuerung betroffen sind, sollten die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und sich professionell beraten lassen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden sowie ihre Rechte vollständig wahrnehmen zu können. Denn am Ende des Tages geht es nicht nur darum, Steuern zu entrichten, sondern auch sicherzustellen, dass diese Steuern gerecht erhoben werden und im Einklang mit den europäischen Grundfreiheiten stehen.