Inzwischen bin ich über 40 Jahre alt. Genauer gesagt fast 44. Ein Großteil dieser 44 Jahre habe ich an Schreibtischen und in Bürostühlen verbracht. Ich war mein ganzes Berufsleben lang ein Büroangestellter, wie man umgangssprachlich sagt. Die Büros, in denen ich gearbeitet habe, waren meistens die klassischen Büros. Ich begann meine Karriere in Deutschland und der Schweiz, wo Büros für kleine und mittlere Unternehmen in der Regel wie folgt aussahen: Eine Rezeption, ein Flur und dann Türen rechts und links. Es gab Bereiche wie die Verwaltung, Buchhaltung, das Büro des Chefs, Konferenzräume, Toiletten und natürlich die Kaffeeküche.
Fragen der Gegenwart
Wie es in Malta wohl zu dieser Zeit ausgesehen hat? Gab es die selben steuerlichen Vorteile wie heute? Immerhin sind diese Vorteile immer auch ein Beweggrund, warum ich in diesem Artikel überhaupt von Virtual Office spreche. Was braucht es denn heute für die Gründung einer Firma in Malta? Was gibt es in Malta und ist das steuerrechtlich legal?
Gründung Malta – unternehmerisch sinnvoll, steuerlich günstig und steuerrechtlich sauber
Wer in Malta eine LTD gründet, er hat sicherlich und verständlicherweise auch steuerliche Motive. Denn wer eine Gesellschaft auf Malta gründet, der kann in den Genuss von nur 5% Besteuerung kommen. Das klingt ja erstmal für jeden Unternehmer verlockend, aber mit der Gründung ist es eben nicht alleine getan. Als Unternehmer wirst Du Dir sicher Gedanken dazu machen, wie Du Dich unternehmerisch in Malta entfalten möchtest. Oder was für eine Operation Du aufziehen willst. Oder gar musst. Aus unternehmerischen, operativen aber auch aus steuerrechtlichen Gründen.
Dazu erfährst Du weiter unten mehr.
Virtual Office historisch – mein erster Kontakt mit etwas völlig anderem
Als ich knapp über 20 Jahre alt war – das ist mittlerweile schon über 20 Jahre her – änderte sich dieses Bild drastisch. Der Standort war Zürich Oerlikon, der City Port. Damals war es einer der modernsten und besten Bürokomplexe der Welt. Ich arbeitete für ein Unternehmen, einen Wirtschaftsprüfer mit drei Buchstaben, eines der sogenannten „Big Four“, PWC (Price Waterhouse Coopers). Zu dieser Zeit wurde der vollständige Name noch verwendet, nicht die Abkürzung.
Im City Port lernte ich Ruheräume, Kagami-Konferenzräume und sogar vollständig ausgestattete Schlafzimmer kennen – für den Fall, dass es mal länger dauerte. Das alles war schick und schön, aber was ich wirklich bahnbrechend fand, war die folgende Idee:
Nutzung von nur 50% der Kapazität
PWC stellte fest, dass die Berater, unabhängig von ihrem Tätigkeitsbereich, durchschnittlich 50% ihrer Zeit nicht im City Port arbeiteten, sondern bei den Kunden vor Ort aktiv waren. Was hat PWC also getan?
Sie reduzierten die Anzahl der Arbeitsplätze/Schreibtische um 50% im Vergleich zur Mitarbeiterzahl.
Das war wirklich clever und radikal. Als Beispiel: Angenommen, es gab 2000 Mitarbeiter. In einem „normalen“ Büro hätte der Chef 2000 Arbeitsplätze bereitstellen müssen. Nehmen wir an, dass jeder dieser Schreibtische 500 EUR pro Monat kostet. Das wären Gesamtkosten von 1.000.000 EUR pro Monat, wobei 500.000 EUR einfach verschwendet wären, weil kein Mensch an diesen Schreibtischen sitzen würde.
Hier wurde das Konzept des „Hot Desking“ und der „Clean Desk Policy“ geboren.
Aber das war noch nicht radikal genug. Im herkömmlichen Denken hätten sich zwei Mitarbeiter einen Schreibtisch teilen müssen. Wie hätte das funktioniert? Sollte man wie in der Grundschule eine Linie auf den Tisch malen und dann darf jeder auf seiner Seite Familienfotos aufstellen?
Keine Familienfotos, keine Post-its
Bei PWC erhielt kein Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz. Genau das, KEINEM. Keinem einzigen Mitarbeiter wurde ein Arbeitsplatz zugewiesen. Wenn man ins Büro kam, suchte man sich einfach einen freien Tisch aus. Dieser konnte dann tageweise genutzt werden, musste aber am Abend vollständig geräumt und gereinigt werden. Für Mitarbeiter, die bestimmte Unterlagen wie Ordner oder Papiere benötigten, wurden schwarze Plastikkoffer bereitgestellt. Diese wurden in einem zentralen Spind im Gebäude aufbewahrt und konnten am nächsten Tag von den Mitarbeitern abgeholt werden. Das war vor über 20 Jahren, als das Internet gerade erst kommerziell eingeführt wurde. Heutzutage bräuchte man wahrscheinlich nicht einmal mehr die Plastikkoffer, da alle Unterlagen und Ordner digital verfügbar wären.
Malta – Alles passiert digital. Mal vor Ort, mal nicht
Im Grunde genommen können wir Malta mit PWC im City Port in Zürich Oerlikon vergleichen. Natürlich ist Malta ein „bisschen“ größer, aber auch die „Mitarbeiter“ auf Malta werden größtenteils nicht ständig vor Ort sein. Die „Mitarbeiter“ sind Unternehmer, die entweder aktiv in Malta oder über Malta tätig sind, zum Beispiel mit einer maltesischen Limited. Das schließt Unternehmer ein, die entweder auf Malta wohnen oder nicht. Und sie alle erledigen ihre Arbeit online, digital oder im Internet.
Hier sind nur einige Beispiele:
- Content Creator
- E-Commerce Unternehmer
- Digitaler Nomade
- HR-Berater
- Online-Shop-Betreiber
- Webdesigner
- Online-Tutor
- Virtueller Assistent
- E-Commerce-Spezialist
- Digitaler Marketingexperte
- Remote-Softwareentwickler
- Online-Vermarkter / Affiliate-Marketing
- Online-Verkaufsberater
- Managementberater
- Backoffice-Services
Mittlerweile ist diese Liste wahrscheinlich sogar stereotypisch, da nahezu jede Tätigkeit online oder nur mit Internetzugang ausgeübt werden kann. Gerade diejenigen, die nach Malta kommen, bieten in den meisten Fällen etwas Digitales an. Daher überlegen sie genau, ob sie ein physisches Büro mit monatlicher Miete betreiben sollten oder nach einer passenderen Lösung suchen. Nach einer moderneren und vor allem kostengünstigeren Arbeitsweise auf Malta, wenn sie dort sind.
Der Immobilienmarkt in Malta
Malta ist eine Insel, das bedeutet vor allem eins: Platz ist begrenzt. Und immer wenn etwas begrenzt ist oder es nur eine begrenzte Verfügbarkeit gibt, steigen die Preise in der Regel kontinuierlich an. Das gilt für keinen Sektor so deutlich wie für den Immobiliensektor. Ich konnte dieses Phänomen bereits während meiner sechs Jahre in London beobachten, denn auch das Vereinigte Königreich ist bekanntermaßen eine Insel, wenn auch etwas größer als Malta. Aber auch hier stiegen die Preise unaufhörlich an.
Klassisches vs. Virtual Office vs. Hot Desking – Die Immobilienblase
Das ist ein Risiko, dem man vollständig ausgeliefert ist, wenn man ein „klassisches“ Büro nutzt, mietet oder betreibt. Natürlich lässt sich das nicht vollständig vermeiden durch ein Virtual Office, Hub Office oder Hot Desking. Aber die Kosten sind wesentlich besser zu bewältigen, wenn man nur eine kleine Servicegebühr pro Monat zahlt anstatt einen 5-Jahres-Mietvertrag abzuschließen.
Damit nicht genug
In Malta sind die kommerziellen Mietverträge für den Mieter in der Regel eher ungünstig. Erstens muss eine hohe Kaution gezahlt werden, z. B. 3-6 Monate. Zweitens haben solche Verträge oft eine Laufzeit von 5 Jahren oder mehr, und es ist schwierig, vorzeitig auszusteigen. Zudem werden Top-Büros oft in einem unvollständigen Zustand (Shell Form) übergeben, was bedeutet, dass man sogar die Trennwände auf eigene Kosten errichten muss. Die meisten anderen „normalen“ Büros wirken altmodisch und ein wenig heruntergekommen.
Anbieter wie Regus oder Soho sind in Bezug auf moderne Standards schon viel weiter.
COVID – Ein gigantischer Faktor
Die COVID-Epidemie hatte einen gewaltigen Einfluss auf den kommerziellen Immobiliensektor. Plötzlich waren Unternehmer gezwungen, große Teile ihrer Belegschaft vollständig virtuell arbeiten zu lassen. Und es hat funktioniert. Dadurch wurde eine Revolution eingeleitet.
Wir erinnern uns daran, wie seltsam es anfangs war, Meetings per Videoanruf abzuhalten. Zoom, Skype, Slack und WhatsApp. Was zuvor nur für reine Internetunternehmen oder private Zwecke genutzt wurde, wurde salonfähig. Die Grenzen haben sich noch weiter in Richtung eines rein virtuellen Büros verschoben. Denn was während COVID normal funktionierte, wird auch ohne Epidemie funktionieren, und zwar effizient. Die damit geschaffenen kommerziellen Aspekte sind immens.
Was lernten wir daraus?
Plötzlich wurde klar, dass viele Jobs dank des Internets eigentlich digitale Jobs sind, die man von zu Hause aus erledigen kann. Ob man das will oder nicht, ist eine andere Frage.
COVID war ein monumentaler Schub für die Dezentralisierung physischer Arbeitsplätze. Und damit ein monumentaler Schub für flexible Arbeitsorte und Virtual Offices. Das gilt auch für Hot Desking, Hub Desking und Virtual Offices in Malta.#
Das Steuerrecht und Virtual Office in Malta
Das internationale Steuerrecht, um genauer zu sein, hat ein Problem mit der Idee von Hot Desks, Hub Working und rein virtuellen Büros. Man kann es den Gesetzgebern nicht verübeln, denn das „alte“ und immer noch gültige internationale Steuerrecht wurde fast ausschließlich für Unternehmen geschrieben, die ausschließlich physisch tätig waren. Das war eine Zeit lange vor dem Internet.
In der heutigen Zeit und vor allem in Zukunft wird es immer mehr Internetunternehmen geben und immer weniger Gesellschaften, die überhaupt einen physischen Anknüpfungspunkt benötigen. Selbst Unternehmen, die vor COVID-19 klassisch operierten, haben gelernt, dass ein physischer Bezug nicht mehr so wichtig ist.
Wo ist das also Problem?
Das Steuerrrecht bzw. das Finanzamt hat das folgende Problem:
Es ist rechtlich schwierig zu besteuern, wenn es keine physikaklische Präsenz gibt oder diese nicht den klassischen historisch gesetzlichen Vorstellungen entspricht. Daher kann es einem so vor kommen, als ob man vom Finanzamt dazu in eine veraltete Form gepresst wird. In eine Form oder eine Zeit, in der jedes Unternehmer seine eigene fixe Adresse, sein eigenes physikalisches Büro hatte. Versucht das Finanzamt also den natürlichen “digitalen”, “dezentralen” Lauf der Dinge zu bremsen?
Jein.
Ich würde eher sagen, dass das Steuerrecht versucht, die komplette Bandbreite der Möglichkeiten zu nutzen. Die Anbieter von Hot Desking, Hub Working und sogar rein virtuellen Büros handeln aus kommerzieller Sicht nicht falsch und auch aus steuerrechtlicher Sicht nicht wirklich. Aber vielleicht der Unternehmer hat ggf. ein Problem mit der Steuer. Im Steuerrecht geht es um Wertschöpfung, und genau das ist das Dilemma.
Das Problem der fehlenden physikalischen Präsenz oder einer schlankeren physikalischen Präsenz, wie eben Virtual Offices, wird um die Wertschöpfungsfrage erweitert. Damit werden die “neuen” Offices nicht komplett ignoriert, aber der (Internet) Unternehmer Antworten haben.
Auf die folgende Fragen:
Wo findet die Wertschöpfung statt, in einem Szenario, in dem es keine Provider für Virtual Office, Co-Working oder Hub Working gibt, kein Regus und nichts dergleichen. Und Du in Malta eine LTD betreibst und alles richtig machen möchtest, also ein echtes Büro anmietest, sogar einen lokalen Direktor einstellst und zwei Vollzeitmitarbeiter im Support beschäftigst. Findet dort wirklich Wertschöpfung statt? Wird dort etwas Werthaltiges „produziert“? Oder dient dieses Büro nur dem Finanzamt?
Das Prinzip der Wertschöpfung stellt genau das infrage. Und wenn in einem physischen Setup wie zuvor beschrieben nichts geschaffen wird, dann umso weniger in einem weniger physischen Büro.
Daher ist Vorsicht geboten bei Lösungen, bei denen nichts Reales passiert.
Good news
Für echte digitale Nomaden spielt dieses Problem eine untergeordnete Rolle. Und genauso wenig betrifft es solche Setups, bei denen der „Wertschöpfende“ nicht in einem Land wohnt, in dem diese Frage nicht gestellt wird.
Wohin die Reise genau geht, weiß niemand so genau. Ich predige schon seit Jahren, dass jeder, der Frieden und Sicherheit haben möchte, am besten seinen Wohnsitz verlegt, zum Beispiel nach Malta. Dort kann er oder sie dann jede Art von Virtual Office, Co-Working, Hub Working oder Hot Desking nutzen und alle steuerlichen Vorteile genießen. Auf Malta gibt es mittlerweile viele Anbieter, die genau für digitale Nomaden oder „Relocators“ solche leichten Büros anbieten.
Fazit
Das Fazit bleibt bestehen: Der Aufstieg von virtuellen oder schlanken Büro-Setups ist auch in Malta deutlich erkennbar. Es gibt moderne und effiziente Anbieter für Relocators und digitale Nomaden. Allerdings sind Virtual Offices im Kontext des internationalen Steuerrechts nicht so aussagekräftig wie klassische, exklusive Büroflächen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass beide Setups steuerrechtlich angreifbar sind, wenn dort keine tatsächliche Wertschöpfung stattfindet.
FAQ
Nein, keine im klassischen Sinne. Die Preise auf Malta stehen nicht unter Kreditdruck sondern eher unter politischem Druck.
Monatlich sollte man für ein normales Büro von min. 1000 EUR ausgehen.
Ja. Großraumbüros sind der Regelfall in der Bürolandschaft Maltas.
Regus, Soho, The Hub, Valletta Hub, Glashaus
Es kommt darauf an. Wenn man auf Malta wohnt, dann ist es einwandfrei. Wer z.B. in Deutschland wohnt kann ggf. am Anfang eine solche Lösung wählen, sollte aber irgendwann plastischer denken.